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Natu - not ready for life in Germany

  • willkommendahoam
  • 17. Juni 2015
  • 2 Min. Lesezeit

"I'm not ready for life in Germany" schrieb mir Natu neulich und trifft damit den Nagel direkt auf den Kopf.Natu ist einer von zehn jungen Buben aus Eritrea, die mir das Schicksal vor nun gut sechs Monaten ins Herz gespült hat. Da waren sie erst wenige Tage in Deutschland. Seither haben sie mich als ihre "Mama Germany" auserkoren und nichts ist mehr, wie es vorher war.

Natu ist ein spindeldürrer Teenager. In den ersten Wochen in Deutschland hat er an vielen Tagen gar nicht gegessen. Das hat sich inzwischen glücklicherweise geändert. Nur wenn er traurig ist, dann hungert er. Obwohl er inzwischen seit einem halben Jahr in seiner neuen Heimat lebt, ist Natu eigentlich noch nicht angekommen. Sein Kopf und sein Herz sind dort, wo der Junge eigentlich sein sollte, wenn das Schicksal fair wäre: zuhause bei seiner Familie.

Aber das Schicksal ist nicht fair. Und Natu nicht mehr in Mai Aini bei seinen Eltern, seinen drei Geschwistern und seinen Großeltern. Nach vielen Monaten der Flucht, in denen er gequält, gefoltert, geschlagen und gedemütigt wurde, ist er nun hier. Gelandet in einer Welt, in der ihm einfach alles fremd ist. Eine Welt, in der er eigentlich gar nicht sein möchte. Eine Welt, in der er mit beiden Beinen in der Luft hängt.

Im Moment tut sich Natu irgendwie mit allem schwer. Er will und kann in der Nacht nicht schlafen, dafür schläft er dann tagsüber völlig übermüdet an den unmöglichsten Orten ein. Eigentlich möchte er zum Deutschkurs gehen, auch weil seine Mutter ihm immer wieder sagt, wie wichtig ihr das ist. Aber an den meisten Tagen kann er sich einfach nicht überwinden. Und wenn er geht, schläft er die meiste Zeit.

Letztens hat die Polizei Natu nachts im Bahnhof gefunden. Halb ohnmächtig, vollgekotzt, betrunken und mit einer Körpertemperatur von gerade noch 35 Grad. Er musste die Nacht im Krankenhaus verbringen und wurde erst am nächsten Tag wieder entlassen. Erzählt hat er mir das erstmal nicht. Vier Wochen später, als ich eines Abends an seinem Bett saß, rückte er mit der Sprache heraus. "Ich muss Dir etwas zeigen", sagte er und drückte mir verlegen einen Brief in die Hand. Den Entlassungsbericht des Krankenhauses. Er wusste, wie wenig ich davon halten würde. Ich wusste, dass es ihm unangenehm war. Es gab uns die Chance darüber zu sprechen.

In Natus Kopf und Herz herrscht derzeit ein einziges Chaos. Er hat wahnsinnige Angst davor, zurück nach Eritrea geschickt zu werden. Bei jedem Brief den er erhält, schickt er mir panisch ein Foto und fragt, ob darin steht, dass er nun zurück muss. Die Briefe sind von der GEZ, dem Sozialamt, der Gemeinde oder der Schule, lösen aber jedes Mal aufs Neue ganz viel Angst und Panik aus. Gleichzeitig wünscht sich der Junge nichts mehr, als wieder in Eritrea zu sein. Sein Leben zurück zu haben. Ein Leben, in dem er sich auskennt. Den Boden unter den Füßen spürt. Die Sprache versteht. Von seiner Mutter umarmt werden kann.

 
 
 

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